Interview mit Kai-Oliver Detken: Inspirierende Einblicke in die Welt unternehmerisch erfolgreicher ProfessorInnen
Prof. Dr. Kai Oliver Detken gründete 2001 die Detken Consultancy & Internet Technologies (DECOIT) e.K. als herstellerneutrales Beratungsunternehmen. Im Jahr 2003 wurde die Firma in die DECOIT GmbH umgewandelt, da sich die Schwerpunkte erweitert hatten. Heute ist die DECOIT GmbH & Co. KG Systemintegrator und Softwarehaus für Beratung, Implementierung und Entwicklung von IT-Systemen. Ein großer Schwerpunkt ist dabei die IT-Sicherheit, die auch in Forschungsprojekten und eigener Produktentwicklung vorangetrieben wird. Nach mehreren Jahren als Lehrbeauftragter an der Hochschule Bremen wurde er 2008 zum Honorar-Professor ernannt. Seit 2017 konzentriert er sich dort im Internationalen Studiengang Medieninformatik auf das Wahlpflichtfach Unternehmensmanagement.
Interview und Autor: Stefan H. Poleck
Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?
Nach meinem Studium war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen in europäischen Forschungsprojekten tätig. Ende 1997 wurde ich von einem Systemhaus für Netzwerk- und Serversysteme abgeworben. Um die Jahrtausendwende, in der Hochphase der New Economy, wollten viele schnell viel Geld verdienen. Das hat bei meinem Arbeitgeber nicht so gut funktioniert. Wir sind sprunghaft von 15 auf 50 Mitarbeiter und durch eine Fusion auf 400 Mitarbeiter ungesund gewachsen. Man hat sich zu sehr mit sich selbst und weniger mit den Kunden und Projekten beschäftigt. Ich war inzwischen vom Gruppenleiter zum Abteilungsleiter aufgestiegen und arbeitete innerhalb eines Forschungsprojektes an meiner Promotion. Im Jahr 2000 wechselte dann die Geschäftsführung und meine Abteilung sollte aus Kostengründen geschlossen werden. Ich hatte 5-6 Wochen Zeit, mir zu überlegen, ob ich eine Stelle beim Mutterkonzern in Nürnberg annehmen möchte oder etwas Eigenes starten sollte. Eine schwierige Fragestellung. Die Promotion schloss ich dann in der Selbstständigkeit ab.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter hatte ich internationale Projekte gemanagt und war auch an der Akquise neuer Forschungsvorhaben beteiligt. So sammelte ich Erfahrungen in der Generierung innovativer Ideen und der Konsortien-Bildung. Für das Systemhaus, für das ich tätig war, akquirierte ich neue Forschungsprojekte, die durch Beratungsprojekte ergänzt wurden. Daher konnten diese Projekte, speziell die Forschungsprojekte, nur durch meine Mitarbeit erledigt werden. So haben wir uns bei der Trennung geeinigt, dass ich das erste Jahr die Projekte, die ich gewonnen hatte, für sie abschließe. So hatte ich ein Jahr, um auszuprobieren, wie die Selbstständigkeit funktioniert. Zwei Studenten haben damals mitentwickelt. Zunächst wurde die Firma als eingetragener Kaufmann gegründet und wir arbeiteten von zu Hause aus. Die GmbH habe ich dann zweieinhalb Jahre später gegründet, als die ersten festen Mitarbeiter dazu kamen.
Was waren Ihre ersten Schritte mit der GmbH?
Unser Ansatz ist die herstellerneutrale Beratung. Dafür braucht man sehr viel Know-how. Bei einer Firewall beispielsweise ist der Hersteller relativ egal, weil die Konfiguration das Entscheidende ist. Man muss sich hauptsächlich in die Bedienungsmöglichkeiten einarbeiten und wissen, was man einstellen muss. Zunächst dachten wir, wir konzentrieren uns auf die reine Beratung und die Umsetzung sollten andere machen. Bei einer Stadt haben wir z.B. das IT-Sicherheitskonzept beraten, aber nach zwei Jahren kamen sie wieder und wollten, dass wir in Zukunft auch die Umsetzung übernehmen. Also haben wir angefangen, parallel mit Forschungsprojekten immer mehr Software- und mehr Techniker-Know-how aufzubauen, um auch Service und Support leisten zu können.
Was hat Ihnen geholfen?
Im ersten Jahr war ich durch einen Auftrag meines letzten Arbeitgebers versorgt. Parallel wurden viele Gespräche mit Steuerberatern und Kontakten aus meinem Netzwerk geführt: Freelancern, kleinen Unternehmen und (potenziellen) Kunden. Alle haben letztendlich gesagt: MACHEN - bis auf meine Frau, die hat erst später gesagt, ja okay, war doch eine gute Entscheidung. Meine fachliche Erfahrung, die ich nach dem Studium durch fünf Jahre wissenschaftliche und organisatorische Arbeit am Institut und danach drei Jahre im Systemhaus gesammelt habe, war sehr wertvoll. Wie man neue Projekte gewinnt, was innovativ ist und wie man Konsortien/ Entscheider-Gruppen überzeugen kann. Im Systemhaus lag dann der Fokus auf der Fakturierbarkeit. Beides zusammen, Innovation mit eher geringem Zeitdruck an der Uni und engem Zeitplan an aktuellen Kundenwünschen arbeiten, hat für mich eine synergetische Ausgangsbasis geschaffen.
Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung, die wir hatten, begann 2004. Wir sollten für ein größeres Unternehmen ein Warenwirtschaftssystem inklusive FiBu und Lagerlogistik neu schreiben. Ein toller Auftrag, aber wir mussten alle Kräfte für dieses Projekt einsetzen und waren so von nur einem Kunden abhängig. Wir konnten zu Beginn den Aufwand nicht einschätzen und haben letztlich die Kosten um ein Vielfaches überschritten. Der richtige Stress ging nach zwei Jahren los, als der Kunde langsam nervös wurde. Nach vier Jahren war das Projekt fertig. Ab dem fünften Jahr gab es neuen Stress, weil der Kunde dachte, dass so ein System ohne Pflege und Erweiterungen auskommt. Hinzu kamen personelle Herausforderungen. Nach zwei Jahren wollten beispielsweise Mitarbeitende wesentlich mehr Geld, was außerhalb des Möglichen lag. So ging mitten im Projekt der technische Projektleiter verloren. Zum Glück hatten wir einen guten Nachwuchsmitarbeiter, der schnell in diese Rolle hineingewachsen ist. Mitarbeiterführung muss man erst lernen, da macht man anfangs Fehler.
Was hebt Ihr Unternehmen ab?
Wir sind kein typisches Systemhaus, sondern ein Systemintegrator und Softwarehaus. So bieten viel Know-how, Lösungen mit einer Vielzahl an Herstellern und sortieren fortlaufend unpassende Produkte aus. Wir sind nicht die Zertifizierten, sondern diejenigen, die den Herstellern Tipps geben. Ebenso sind wir im Open-Source-Bereich sehr stark. Wir kommen aus dem Linux-Umfeld, können aber Microsoft genauso gut. Weil wir zu 100 % herstellerunabhängig sind, finden wir für den Kunden die beste Lösung.
Wie kam es zur Idee, auch an der Hochschule zu lehren?
Vor meiner Promotion habe ich für das Systemhaus Schulungen durchgeführt, was mir richtig Spaß gemacht hat. Dann hat sich mir die Möglichkeit erschlossen, neben dieser Tätigkeit zu promovieren. An der Uni Bremen habe ich dann den passenden Doktor-Vater gefunden und in den Forschungsprojekten gesehen, welche Synergien möglich sind. Später kam dann die Selbstständigkeit und gleichzeitig gab es eine Vakanz als Professor für Technische Informatik an der Hochschule Bremen, wo ich seitdem lehre. Da hatte ich mich parallel zur Gründung beworben, bin unter die besten drei gekommen, durfte eine Probevorlesung halten und habe dann lange nichts mehr von der Hochschule gehört. Ich war dann zwar an zweiter Stelle, aber berufen wurde ein Professor aus Osnabrück. Auch weil die Promotion noch nicht abgeschlossen war und ich noch zu wenig Erfahrungen hatte. Der Fakultätsleiter hat mir dann 2001 eine Dozentenstelle angeboten. Eine Honorarprofessur hatte ich gar nicht angestrebt. 2008 hat mich der Fakultätsleiter angesprochen, ob das etwas für mich wäre. Und ich dachte mir: warum nicht? Man darf den Titel führen und muss dafür zwei SWS kostenlos unterrichten. Parallel wurde sich immer wieder auf neue freie Professoren-Stellen beworben. Eine Einstellung scheiterte aber immer an der Fragestellung, was mit meinem Unternehmen parallel passieren würde. Viele Hochschulen halten es für nicht realistisch, Geschäftsführung und Professur zu schaffen.
Wie finden Sie Balance zwischen Hochschule und Unternehmen?
Es ist leichter geworden, seit ich an der Hochschule weniger mache. Bis 2016 habe ich Rechnernetze als Hauptfach gelehrt. Das war ein ganzer Tag pro Woche. Aktuell mache ich nur noch zwei SWS - für die Ehre und weil es mit den Studenten Spaß macht.
Welche Auswirkungen hatte Ihre Praxistätigkeit auf Ihre Lehre?
Bei meinen Themen wie Rechnersysteme, Netzwerke, Architektur und so weiter berichte ich überwiegend aus Praxis-Projekten. Auch wo etwas schiefgeht und was man beachten sollte. Bei den Studenten kam das unterschiedlich gut an, weil viele im Informatikbereich sehr aufs Programmieren fokussiert sind.
Aus welchen Gründen arbeiten nicht mehr ProfessorInnen umfangreicher mit der Wirtschaft zusammen?
Ich denke, es kommt auf den individuellen Background an. Wenn jemand lange Zeit in der Wirtschaft gearbeitet hat, gibt es eine weitreichende Vernetzung und vielfältige Erfahrungen. Solche Professoren akquirieren sehr leicht Forschungsprojekte. Konsortien erweitern das individuelle Netzwerk. Je stärker dieses Netzwerk von Unternehmen geprägt ist, umso mehr Praxis-Tätigkeit.
Was muss sich ändern, damit mehr ProfessorInnen diesen Schritt wagen?
Es hängt von den ProfessorInnen ab. Ein Teil konzentriert sich lieber auf die Hochschularbeit. Man könnte neue Förderprogramme in diesem Bereich ins Leben rufen. Im Idealfall mit minimalem bürokratischen Aufwand. Das Bremer Innovations- und Technikzentrum (BITZ) bietet jungen Firmen eine gute Infrastruktur, vom Sekretariat bis zu Tagungsräumen. Das haben wir Anfangs auch genutzt.
Was wären Ihre wichtigsten Tipps für Studierende, Promovierende und ProfessorInnen, die an der Schnittstelle zwischen Hochschule und Wirtschaft unternehmerisch tätig werden wollen?
Auf jeden Fall über den Tellerrand schauen und nicht nur in der akademischen Blase bleiben, denn das fördert nicht unbedingt unternehmerisches Handeln oder Bereitschaft Risiken einzugehen. In die Praxis gehen, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Und Forschungsprojekte mit Auftraggebenden aus der Wirtschaft, da lernt man Projektmanagement, Vernetzung und wie aus innovativen Ideen ein Prototyp oder Produkt entsteht. Sehr wichtigen Erfahrungen für eine Unternehmensgründung.
Welches Feedback bekommen Sie von Studierenden, wenn die erfahren, dass Sie unternehmerisch tätig sind?
Das ist schwierig zu trennen, denn auf allen Folien, die ich verwende, steht mein Unternehmen drauf. Alle Studierenden wissen das. Wir sehen auch die Synergie, da wir so auch Bewerbungen bekommen. Leider werden bei uns die Evaluationsbögen weit vor Ende der Vorlesung verteilt. Das Bild ist so einerseits nicht „rund“ und bedauerlicherweise kommen nur 50 % zurück.